Mit dem Segel-Frachtschiff nach Kopenhagen
Kreuzfahrt mal anders: Vera Stüber segelte im Juni emissionsfrei von Belgien nach Dänemark. Zehn Tage ohne Privatshäre und Luxus, mit jeder Menge Arbeit - und vielen magischen Momenten. Schlafen im beengten Acht-Bett Zimmer, keine Dusche oder fließend Wasser, dafür Arbeit im Schichtbetrieb: Für viele Menschen dürfte das eher nicht nach Ferien klingen. Vera Stüber aber hat genau so ihren Sommerurlaub verbracht: Mitte Juni ist die 29-Jährige, die seit acht Jahren bei HOBART im Vertriebscontrolling arbeitet, mit einem Segel-Frachtschiff verreist, dem einzigen seiner Art weltweit.
„Die meistgestellte Frage meiner Freunde war tatsächlich: Wieso tust du dir das an?", erzählt Stüber mit einem Lachen - und liefert die Antwort gleich mit: Sie hatte im Fernsehen eine Doku über umweltfreundliche Schifffahrt gesehen und sich daraufhin spontan für eine Fahrt auf dem Segel Frachter Tres Hombres angemeldet. 1943 erbaut, wurde die Brigantine (zweimastiges Segelschiff) 2007 komplett restauriert und bringt seither fair gehandelte Produkte wie Rum, Kaffee oder Schokolade aus der Karibik nach Europa. Auch innerhalb Europas kommt sie zum Einsatz und transportiert dann etwa Holz aus Dänemark oder - wie bei Vera Stübers Reise - 25 000 Flaschen Wein aus Frankreich.
Und das zu 100 Prozent emissionsfrei, denn das Schiff wird ausschließlich von der Kraft des Windes angetrieben", berichtet Stüber. ,,Dazu gibt es zwei Windräder und Solarpanele, welche die Navigationssysteme mit Strom versorgen." Im Gegensatz dazu werden konventionelle Frachtschiffe mit Schwerölen betrieben, also Rückstandsölen aus Raffinerien. Sie sind zwar billig, dafür aber hochgiftig und müssten an Land als Sondermüll entsorgt werden. "Ich wollte einfach herausfinden, wie es auch anders geht."
Stüber entschied sich für eine Reise vom belgischen Ostende bis nach Kopenhagen. Wie lange die Reise genau dauern würde, wusste sie dabei vorher nicht - denn nur der Wind bestimmt schließlich, wie schnell der Frachter vorankommt. 1350 Euro hat sie dafür bezahlt: ein Preis, der durchaus mit einer konventionellen Kreuzfahrt mithalten kann. Damit hören die Vergleiche aber auch schon auf: Direkt nach Ablegen des Schiffes wurden Stüber und ihre sieben Mitreisenden in zwei Gruppen eingeteilt, die insgesamt fünf verschiedene Tages- und Nachtschichten übernahmen. Arbeiten, schlafen, arbeiten, schlafen: So verbrachte sie die folgenden 10 Tage auf hoher See.
"Tagsüber standen oft Wartungsarbeiten an, bei denen wir streichen oder abschleifen sollten, das Deck schrubbten oder Segel nähten", erzählt Stüber. „Während der nächtlichen Schichten wurde dann Sauerteigbrot gebacken und Wache gehalten." Auch am Ende der Schicht wartete wenig Luxus auf die Trainees. Duschen? Fehlanzeige. Toiletten? Genau eine - für 15 Leute. Die Zeit zwischen den Schichten verbrachte Stüber im Etagenbett eines beengten Acht-Bett-Zimmers. Ein zwischen Matratze und Bett geklemmtes Brett verhinderte dabei, dass sie bei starkem Wellengang aus dem Bett fiel.
,,Man muss sich einfach mit der Situation anfreunden", meint Stüber. "Wenn man akzeptiert, dass man die nächsten 10 Tage keinerlei Privatsphäre haben wird, wird man mit wunderschönen Momenten belohnt. Ich habe Delfine und Wale beobachtet und tolle Sonnenauf- und -untergänge erlebt. Dazu durften wir zweimal mitten auf hoher See baden. Die Weite des Ozeans auf so einem kleinen Schiff zu erleben, hat mich sehr beeindruckt." Dennoch war sie froh, nach 10 Tagen wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. "Als Erstes habe ich ausgiebig geduscht", erzählt sie lachend."Danach habe ich mir noch zwei Tage Kopenhagen angeschaut und am dritten Tag beim Entladen des Weins aus dem Frachtschiff geholfen." Mit dem Zug ging es anschließend wieder zurück nach Offenburg. Ihr Fazit? "Ich kann sagen, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt habe - und ich würde diese Reise definitiv jedem empfehlen!"